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Mein Name ist Leo

 

 

Nanu, was war denn das? Ach so, nur so ein dämlicher Graureiher im Landeanflug! Da schleich ich doch mal gleich rüber, um zu sehen, ob ich dem nicht seinen Fang vermasseln kann.

Wer ich bin? Gestattet mir, dass ich mich vorstelle: Felis catus oder besser bekannt als Leo der Hauskater und Raufbold vom Dienst. Manchmal höre ich auch auf Namen wie „hau bloß ab, du Mistvieh“ und „elender Streuner“. Dabei bin ich doch sesshaft geworden und hab mir ein schönes Zuhause in Sayn ausgesucht. Hat mich einiges an Überzeugungsarbeit gekostet, bis meine Herrschaften mich endlich in ihr Haus ließen. Aber mit etwas blinzeln, herumscharwenzeln, an die Beine schmiegen und zum richtigen Zeitpunkt schnurren, was Kopf und Hals hergeben, hab ich sie schließlich überzeugt: Hier bin ich, und hier bleibe ich! Mir doch egal, ob sie mich als Schleimer bezeichnen – solange es gleichzeitig ein tolles Leckerli gibt.

Ja, früher, da hab ich schon harte Zeiten gesehen. Ich lebte oben auf der Burg Sayn in einem Loch in der Burgmauer. Da gab es keine weichen Decken, in die ich mich kuscheln konnte, und die Futterage wollte erst noch gefangen werden. In den Sommermonaten fand man ja hier und da abwechslungsreiche Kost, wenn Touristen ihre Essensreste einfach wegwarfen, die ich allerdings nur nachts zu inspizieren mich traute. Tagsüber sind nämlich die Greifvögel die Attraktion des Berges. Nicht, dass unsereins ganz oben auf deren Speiseplan stünde – und so kampflos ginge das auch nicht ab; wozu hat man schließlich Krallen und Zähne?! Doch man muss es auch nicht drauf anlegen und könnte durchaus den Kürzeren ziehen. Also blieb ich brav in meinem „Kabäuschen“, während diese gefiederten Kameraden mit ihren Flugkünsten prahlten.

Im Winter ging’s dann ums nackte Überleben, und ich entschloss mich zu Unternehmen Ortswechsel: Mögliche Tierliebhaber auskundschaften, sich vor deren Haustür legen und den Todgeweihten mimen. Klappt fast immer; ihr Menschen seid ja so einfach gestrickt…

Kapitel 7

Zensuren für die Arterhaltung

Der Mensch, selbsternannte Krone der Schöpfung. Evolutionäres Nonplusultra. Besser geht’s nicht? Von wegen! Denn hinsichtlich der Fortpflanzung ist’s vorbei mit dem Selbstbewusstsein, dem Selbstwertgefühl. Hier verlangt das ultimative Geschöpf nach Zensuren.

„Na, war ich gut?“, klingt es bei meinen „Herrschaften“ wie aus einem Munde. Wen interessiert’s? Mich jedenfalls nicht. Mich beschäftigen ganz andere Belange: Ich ringe um Selbstbeherrschung. Bloß nicht meinen Ärger lauthals kundtun, was zwangsläufig einen Rausschmiss aus dem Schlafzimmer nach sich ziehen würde. Und so sitze ich seit einer Dreiviertelstunde vor jenem Bett, das ich erst vor wenigen Tagen beschlagnahmt habe, schaue zu und gebe Noten. Und die fallen nicht gerade bravourös aus, nicht einmal akzeptabel, eher zutiefst deprimierend.

Ob ich mal maunzen soll?

Arterhaltung schön und gut – das hat die Natur so vorgesehen. Aber es gibt wohl kaum ein Lebewesen, das solch ein Tamtam bei seinem Fortpflanzungsbestreben an den Tag legt, wie der Mensch: Zunächst ist erst einmal das richtige Ambiente angesagt. Dass die Duftkerzen mein empfindliches Riechorgan beleidigen, scheint völlig irrelevant. Das nervtötende Gebitzel in flötenähnlichen Gläsern, das gelegentlich zur Stimulanz beitragen soll, geht mir auch auf die Nerven. Und dann erst diese Zeitvergeudung ...!

„Nee Leute, da sind wir Katzen doch weitaus produktiver bei der Sache. Vielleicht liegt es auch daran, dass unsere Weibchen nur alle sechs bis acht Wochen rollig sind. Auf meinem armen Frauchen hingegen scheint das ganze Jahr der Druck zu lasten, endlich den erwünschten Arterhaltungsnachweis zu erbringen; zumindest lässt ihre ständige Rolligkeit darauf schließen. Und was Monsieur betrifft: Nun ja, ich bringe für ihn Verständnis auf, wenn auch nur mit viel Wohlwollen. Wir Männer sind es doch gewöhnt, kennen sie zu genüge, die alltägliche Opferbereitschaft in punkto Sex; ohne uns geht’s halt nicht. Soviel Solidarität muss nun mal sein, auch artenübergreifend.

Was mich allerdings tierisch stört, ist außer dem Veranstaltungsort dieses endlos erscheinende, nervtötende Ritual: Stundenlanges Köpfeln. Dann gegenseitige Körperpflege (die Körperlotion des Partners scheint ja bestens zu schmecken). Und dann zuletzt die eine oder andere akrobatische Nummer, wenn’s dann endlich mal zur Sache geht.

Versteht mich bitte nicht falsch! Ich bin weder ein Voyeur noch ein Verhaltensforscher. Das interessiert mich alles nicht. Ich bin nur ein müder Kater, der endlich sein Haupt zur wohlverdienten Nachtruhe betten will. Doch solange meine Herrschaften nicht zu Rande kommen, kann ich das getrost vergessen, - und die beiden ihre Nachkommenschaft, mal so ganz nebenbei bemerkt. Also, was tun? ...

 

 

 Kapitel 13

 

 

www.amore.de

 

Das Bestreben, sich selbst zu reproduzieren, liegt wohl in unser aller Gene. Bis auf wenige Ausnahmen hat die Natur es vorgesehen, dass Männlein und  

Weiblein zusammenfinden müssen, um die Arterhaltung zu gewährleisten. Wir Katzen wissen das, wissen um die Notwendigkeit unserer Gattung und sind auch durchaus pedantisch, was die/den Auserkorene/n betrifft. So weit, so gut. Aber ich kenne keine zweite Spezies, die einen solchen Aufwand bei der Partnerwahl betreibt wie der Mensch. Dabei könnte man sein Gebaren als revolutionär bezeichnen.

Forcierten vorgestern noch die Eltern die Partnerwahl ihres Sprösslings, so räumte man spätestens gestern mit den antiquierten Methoden auf. Man/frau verbot sich jedwede Einmischung seitens Dritter. Liebe war angesagt, jener biochemisch manipulierter Zustand, wobei der Verstand aussetzt und nur noch das Gefühl die Handlungsweise regiert.

Zwei Augenpaare treffen aufeinander. Im Zeitraffer wird das Gegenüber gescannt. Zieht es mich an, oder stößt es mich ab? Die entscheidenden Sekunden. Gefällt mir! Ein erstes scheues Lächeln. Dann ein Herantasten mit Höflichkeitsfloskeln. Die Chemie stimmt. Der Puls beschleunigt. Schmetterlinge im Bauch. Der Blutdruck kommt in Fahrt und zaubert eine zarte Röte ins Gesicht. Ein erstes gemeinsames Abendessen bei Kerzenlicht mit einem Seelenschleicher aus verdeckten Lautsprecherboxen. Klischeehaft, ohne Frage – aber auch Romantik pur. Und immer wieder dieser Blickkontakt. Selbst die offensichtlichsten Macken der/des Auserkorenen verschwimmen im Schatten der rosaroten Brille. Die Blicke werden tiefer und tiefer; es nähern sich die Unterkiefer

Halt! Stopp! Cut!

Leute, seid ihr etwa von gestern? Dem modernen Menschen steht nach solchem Kitsch und Schnickschnack einfach nicht mehr der Sinn. An Liebe und ähnlichen Viruserkrankungen infiziert man sich heute mittels Bites. Soll heißen: Warum sich auf eine bisweilen langwierige Suche nach einem geeigneten Partner begeben, da doch spezielle Seiten im World-Wide-Web eine vortreffliche Auswahl für Interessierte bereithalten.

Die Kriterien sind unmissverständlich: Vorzüge beim äußeren Erscheinungsbild, gemeinsame Interessen, gesellschaftlicher Status – allerdings nicht unbedingt in dieser Reihenfolge. Das Angebot an fortpflanzungssüchtigen Exemplaren ist bemerkenswert; die Partner-Vermittlungs-Agenturen im Internet erfreuen sich demnach wachsender Mitgliederzahlen. Auch Katja, Mimis Frauchen von nebenan, weiß den Service zu schätzen und verbringt jede freie Minute mit dem Studium verschiedener Kontaktbörsen.

Markus 38/183, sportlich, schlank, humorvoll und kreativ, sowie spontan und weltoffen sucht die Frau fürs Leben. Hobbys: Tanzen, Musizieren, Motorsport (Boot, Zweirad, Sportwagen).

Ein ins Netz gestelltes Foto dieses Womanizers (verzeiht, aber die Anwendung von Anglizismen ist auf solchen Seiten ein absolutes Muss) legte den Verdacht südländischer Wurzeln nahe. O ja, ein heißblütiger, gutbetuchter Italiener oder Spanier passte so ganz in Katjas Beuteschema. - Mir drängte sich allerdings die Frage auf, warum ein solch` unwiderstehliches Musterexemplar seiner Gattung noch nicht unter der Haube war. Auch ohne Partnervermittlung. Aber unsereins wird natürlich nicht gefragt. - Kurzum, Katja sprang darauf an wie Schmitz` Katz` auf ein Leckerli.

Mit solch attraktiver Freizeitgestaltung konnte Tobias 41/179, Akademiker, einfühlsam und bodenständig, intelligent und beharrlich, romantisch und treu, natürlich nicht konkurrieren. Seine Vorlieben lagen im Bereich Natur und Kultur. Er wanderte schon durch Wald und Flur, lange, bevor es zum Trend erklärt wurde. Auch zog er ein gutes Buch und klassische Musik einem Kinobesuch vor.

Katjas Begeisterung hielt sich in Grenzen. Dennoch flirtete sie beim Chatten auf „Teufel komm raus“. Mit beiden Kandidaten, wohl bemerkt. Denn so reizvoll Markus` Attribute auch sein mögen, Madame legte natürlich auch Wert auf Stil und geistiges Niveau. Der Tenor ihrer Mails war dementsprechend überzogen.

Und dann war es endlich soweit: das erste Date. Mit Markus natürlich, führte er doch eindeutig die Rangliste an.

Grande Dame investierte eine beträchtliche Summe in ein hochmodernes Outfit mit teurem Markenlabel. Anschließend verbrachte sie die zweite Tageshälfte im Badezimmer zwecks Generalüberholung, bevor sie eine einstündige Anfahrt in Kauf nahm, um ihren Auserkorenen in seiner zukünftigen Eigentumswohnung zu besuchen.

Was für ein Aufwand! Mimi und ich konnten nur verwundert dreinblicken.

Noch verwunderter - ja sogar perplex - waren wir, als Katja bereits nach zweieinhalb` Stunden zurückkam und wütend die Haustür hinter sich zuschmiss (man beachte den Zeitfaktor). Ihr vermeintlicher Hauptgewinn hatte sich nämlich als totale Niete, als Schnarchzapfen entpuppt: Die Eigentumswohnung in spe befand sich in Strunzers Elternhaus. Mit seiner Hartz-IV-Karriere könne er sich momentan noch keine großen Sprünge erlauben. Die Einschränkungen hielten sich allerdings in Grenzen, da er als einziger Sprössling erfolgreich die karge Rente seiner Eltern durchzubringen vermochte. Seine angepriesene Kreativität beschränkte sich zweifelsohne auf die Auslegung seiner faszinierenden Hobbys:

Sah sich Katja schon sonnenbadend auf dem Deck eines schnittigen Motorbootes, so konfrontierte sie die Wirklichkeit mit einer aufblasbaren Gummischüssel, einem Wellenreiter mit 5PS Außenboarder-Kraftwerk, Baujahr 75. Das angepriesene, kultische Zweirad hatte mit einer erwarteten Harley nur wenig gemein. Die Vespa gehörte einst Markus’ Vater und hatte auch schon bessere Zeiten gesehen. Doch den absoluten Höhepunkt mussten seine beiden Sportwagen dargestellt haben: ein Porsche und ein Ferrari. Originalgetreu, keine Frage, im Maßstab 1:43 - Carrera macht’s möglich. Gemessen an solcher Aufschneiderei musste ja die Diagnose seiner künstlerischen Talente regelrecht amüsant wirken: Seine tänzerischen Qualitäten beschränkten sich auf Freestyle. Und wie war’s um seinen musikalischen Genius bestellt? Nun ja, kreativ gesehen könnte man Markus als Christoph Kolumbus des Keyboards bezeichnen: jedes Tönchen eine Entdeckung.

Arme Katja! Nie wieder wollte sie vergessen, wie geduldig Papier – pardon, eine Webside - sein kann. In Zukunft sei Bodenständigkeit angesagt, der Verstand sollte die Östrogene kontrollieren. Denn was nutzt einem schon ein Himmel voller Geigen, wenn diese total verstimmt waren? Was ein Höhenflug der Gefühle, wenn das Programm einen Absturz vorsieht. Dieser Fehler dürfte ihr nicht noch einmal unterlaufen. Tobias sollte nun das Rennen machen. Zudem gedachte Katja dabei den Heimvorteil zu nutzen. …